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Full text of "Wirnt von Gravenberg. Teil I"

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I 
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WIRNT VON GRAVENBERG, 


TEILL U. 


INAUGURAL-DISSERTATION 


ZUR 


ERLANGUNG DER DOCTORWÜRDE 
VON DER PHILOSOPHISCHEN FACULTÄT 


DER 
FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT 
ZU BERLIN 


GENEHMIGT UND ÖFFENTLICH ZU VERTEIDIGEN 
AM 


1. JUNI 1881 UM 11 UHR 


IN DER AULA 
VON 


RICHARD BETHGE 


AUS KOLBERG, 


-— 


OPPONENTEN: 


FELIX NIEDNER, Dr. phil, 
FRIEDRICH VOGEL, Cand. phil, 
ADOLF STRACK, Stud, phil, 


BERLIN 1881. 
DRUCK VON W. PORMETTER. 


: Nachdem Benecke.1819 den Wigalois.trefflich ‚herausgegeben 
und.:erklärt, -Gerv:iinus:.das::gedicht; ästhetisch und..historisch:. ge- 
würdigt, Lachmann in den anmerkungen.:zur.. zweiten. auflage 
des: :Iweins einzelne. wichtige ‚punkte. aufgehellt, Pfeiffer endlich 
11847. eine ‘neue: ausgäbe: veranstaltet .hatteischien;das interesse für 
‚Winnt: von-Gravenberg und: sein: -werk lange zeit erloschen :zu. sein: 
des .grafen:Wolf'.von Baudissin ‚übersetzung (Leipzig, 1848). ist 
kaum zu «nennen. Selbst das: 1860: veröffentlichte französische 
original-.'vermochte keine ..vergleichung:.mit..Wirnts. gedicht ‚anzu- 
ee 1874 :brachte:..die.erste specialarbeit: .ı... .ı 

Heinrich: Meisner: Wirnt:: von Gravenberg; beiträge, zur 
bourleilanı seiner literarhistorischen: bedeutung. I. Bra 1874. 
dissertation. I. .t verie ner ee den a) eengsetrezun ol 
„t  Im.jahre 1875» folgten: mehrere arbeiten die sich, mit. Wicnts 
sprachgebrauch und seiner stellung gegenüber Hartmann.und Wolf- 
ram beschäftigen: lee he 

H. Eckert Wirnt:.von. Gravenberg:. und. sein sprachgebrauch 
im verhältnis zu Hartmann von Aue. Programm des Stettiner 
stadtgymnasiums. Ostern 1875. 

H. Meisner Wirnts von Gravenberg verhältnis zu seinen 
vorbildern. I. Germania 20, 421 ff. 

R. Sprenger Die benutzung des Parzivals durch Wirnt von 
Gravenberg. Germania 20, 432 fi. 

Bruno Pudmenzky Ueber Wirnts ausdrucksweise mit be- 
sonderer rücksicht auf Hartmann und Wolfram. Halle December 
1875. dissertation. 

Bald wurde auch die textkritik des Wigalois gegenstand er- 


neuter untersuchung: 
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Richard Heinzel Greinburger fragmente des Wigalois. 
zeitschr. f. deutsches altertum 21, 145 ff. 

A. Schönbach Vorauer bruchstücke des Wigalois. Graz 1877. 

Schönbach Zum Wigalois. I. zeitschr. f. deutsches alter- 
tum 22, 3371. II. aao. 24, 168 ff. 

Eine untersuchung über die französische quelle lieferte: 

Albert Mebes Ueber den Wigalois von Wirnt von Graven- 
berg und seine altfranzösische quelle: programm der städtischen 
realschule zu Neumünster 1879. 

Eine neue zusammenfassende arbeit über Wirnts verhältnis 
zu seinen deutschen vorbildern ist: 

Richard Medem Ueber das abhängigkeitsverhältnis Wirnts 
von Gravenberg von Hartmann von Aue und Wolfram von Eschen- 
bach. Programm der Danziger realschule 1ster ordnung zu St. 
Johann. Ostern 1880. Ä 

In diesen schriften ist viel einzelnes zur richtigen beurteilung 
des dichters beigebracht, das wichtigste freilich, der nachweis der 
französischen quelle und die vergleichung mit derselben ohne 
welche eine vollständige einsicht in des dichters bedeutung art 
und kunst sich nicht gewinnen lässt ist bisher nur in sehr un- 
zulänglicher weise ausgeführt worden. Die schrift des herrn 
dr. Mebes lernte ich erst kennen als die folgende untersuchung 
über Wirnts quelle im wesentlichen abgeschlossen war: den gang 
meiner arbeit durch stäte bezugnahme auf die befremdenden be- 
hauptungen jener schrift zu unterbrechen fand ich keine veranlas- 
sung; mögen dieselben am schlusse ihre widerlegung finden. Die 
folgende arbeit teilt sich in zwei kapitel: 

I. Die französische quelle. 
II. Die bearbeitung Wirnts von Gravenberg. 


KAPITEL I. 


DIE FRANZÖSISCHE QUELLE. 


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- Der im "Wigalois behandelte sagenstoff ‚hat sich einer weiten 
verbreitung. in ‘der europäischen literatur zu erfreuen gehabt; von 


bearbeitungen desselben sind bekant: 
‚1), ein französisches gedicht yon Renauld de Beaujen aus dem 


ende. des 12ten jahrhunderts, , . an ie 
je 2, ein englisches gedicht aus dem 14ten ih, i | # 
3) eine französische prosabearbeitung. des. mönches Claude | 


Platin aus dem ‚anfange des 16ten jhs.,. 


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13ten jhs. auf welchem ‚die deutschen dänischen isländischen 
volksbücher desselben inhaltes und. das -jüdisch- deutsche bänkel- 
_sängerlied. Josels von Witzenhausen beruhen... 

Von .den letztgenanten ‚bearbeitungen sehen. wir hier völlig 
ab, da sie direct oder indirect aus Wirnts gedicht geflossen sind; 
uns interessiert allein Wirnts verhältnis zu seiner quelle über 
welches. wir, uns natürlich nur aus den von ibm unabhängigen 
darstellungen, dem französischen gedicht, dem englischen gedicht 
und dem französischen prosaroman unterrichten können. 

Wir betrachten zunächst das französische gedicht; es wurde 
1855 entdeckt, 1860. veröffentlicht‘ unter dem titel: 

Renauld de Beaujeu. Le bel inconnu ou Giglain fils de Mes- 
sire Gauvain et de la fee aux blanches mains. publis d’apres le 
‚manuscrit unique de. Londres avec une introduction et un glos- 
saire par C. Hippeau. Paris 1860*). 

Leider ist die ausgabe höchst unzuverlässig so dass man sie 
eher eine bearbeitung nennen könte. vgl. Mussafia in Eberts 
Jahrbuch f. roman. und engl. literatur 4, ara. und Be.0u0slz 


- 9) Bei Gordon de Percel De usage des romans etc. avec une biblio- 
theque.' des romans (2 voll: Amsterdam 1734) 2, 245 finde ich folgende 
beachtenswerte notiz: Giglan fils de Gauvain er vers, in 4 manuscrit. .:; 


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Förster in Gröbers zeitschr. f. roman. philologie 2, 79£. Vor- 
weg ist zu bemerken dass in der handschrift der held der erzäh- 
lung stäts Guinglain heisst, nicht wie Hippeau schreibt Giglain. 

In der von Stengel!) erwähnten dichtung ‘@est de Gliglois 
comment il eut grant painne pour sa fame’ vermutete Gaston 
Paris?) eine zweite französische bearbeitung desselben stolfes, da 
der name ‘Gliglois’ an ‘Wigalois’ sich annähere. Diese vermutung 
ist unbegründet. s. Förster aao. 

Es bleibt mithin das werk Renaulds die einzige uns bekante 
dichterische behandlung des stoffes in Frankreich. 

Ich schicke die inhaltsangabe des wenig zugänglichen ge- 
dichtes vorauf — sie wird von nutzen für die folgende unter- 
suchung sein. 

„Auf einem hoflager des königs Artur zu Charlion erscheint 
ein junger ritter den niemand kennt. Auf seinen wunsch sagt 
ihm Artur zu ihm seine erste bitte erfüllen zu wollen. Dem boten 
Arturs der iın um seinen namen befragt antwortet er: 

RE: Certes ne sai 

Mais que tant dire vos en sai 

Que ‘biel fil’ m’apieloit ma mere; 

Ne je ne sai se je oi pere. (115 ff.)®) 
Daher legt ihm Artur den namen ‘Li Biaus Desconneus’ bei. 
Es erscheint dann zu pferde vor Artur eine jungfrau mit einem 
zwerge; sie nennt sich Helie und bittet den könig ihrer herrin, 
der tochter des königs Gringars einen rilter zu hilfe zu schicken 
der mut genug habe ein gefährliches abenteuer zu bestehen: 

‘*Certes moult auroit grant honnor 

Icil qui de mal l’estordroit, 

Et qui le ‘fier baisier’ feroit. 

Mais pros que il li a mestier! (?) 

Onques n’ot tel ä chevalier’. (186 ff.) 
Libiaus bittet Artur ihn hinreiten zu lassen und dieser darf 
ihm seinem versprechen gemäss die erste bitte nicht abschlagen, 


1) Mitteilungen aus französischen handschriften der Turiner universitäts- 
bibliothek. Marburg 1873. s. 11. 

2) Romania 3, 110. 

°) Für die in dieser arbeit angeführten stellen aus dem Bel Inconnu hatte 
herr prof. Förster in Bonn die güte mir die abweichungen der hds. von dem 
Hippeauschen texte mitzuteilen; einige emendationen verdanke ich herrn 
prof. Tobler. 


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Helie aber hält ihn für zu jung und schwach und reitet: unwillig 
fort.‘ Libiaus waffnet sich und reitet von dem 'schildknappen 
Robert begleitet der jungfrau nach die ihn vergebens abzu- 
schrecken sucht. Am ‘Gue Perilleus’ sucht ihnen Blioblieris den 
übergang zu wehren, von Libiaus besiegt muss er sich verpflich- 
ten als gefangener an Arturs hof zu gehen. Nachdem Libiaus 
fortgeritten ist trifft Blioblieris drei befreundete ritter die er auf- 
reizt ihn an dem unbekanten zu rächen; sie versprechen es und 
reiten dem Libiaus nach. Dieser ist unterdes mit seiner gesell- 
schaft in einen wald gekommen wo er übernachtet. Am morgen 
durch ein hilfegeschrei erweckt reitet er trotz der warnung seiner 
begleiterin der stimme nach; er findet zwei riesen deren einer 
eben einem jungen mädchen gewalt antun will während der an- 
dere am feuer mit der zubereitung eines mahles beschäftigt ist. 
Libiaus tötet die riesen und befreit die jungfrau die sich als 
Clarie, des Saigremors schwester zu erkennen gibt: sie war von 
den riesen von Arturs hof geraubt worden. Helie nunmehr von 


ihres jugendlichen begleiters tapferkeit und stärke überzeugt bittet - 


ihn um verzeihung dass sie ihn früher verkant habe. 

’" Beim weiterreiten treffen sie bald auf die drei freunde des 
Blioblieris die alle zugleich den Libiaus angreifen wollen; doch 
genügt ein wort der Helie sie zur ritterpflicht zurückzurufen. 
Im 'einzelkampfe wird der eine ritter von Libiaus getötet, die 
beiden andern besiegt und an Arturs hof geschickt mit dem auf- 
trage Clarie ihren‘ verwanten zurückzugeben. Beim weiterreiten 
erblickt Helie ein zierliches hündchen das sie sich aneignet und 
dem besitzer Orguillous de la Lande auf dessen forderung trotz 
Libiaus zureden nicht zurückgeben will; Libiaus muss deshalb 
mit Orguillous kämpfen, besiegt ihn und sendet ihn zu Artur. 
Er gelangt dann mit Helie an die burg Bel Leu, trifft dort eine 
jungfrau, Margerie geheissen heftig klagend an; sie erzählt, der 
besitzer der burg, Giflet d’O habe einen schönen sperber ausge- 
stellt welcher derjenigen dame zufallen solle deren schönheit ihr 
geliebter im kampf auf leben und tod gegen ihn verfechten wolle; 
so sei auch ihr geliebter von Giflet getötet. Libiaus erbietet sich 
den tod ihres freundes zu rächen und ihr den sperber zu er- 
streiten; sie reiten in den burghof; als Margerie den sperber 
nehmen will komt Giflet mit seiner dame, Rose Espanie herbei 
um 'es ihr zu wehren, wird aber von Libiaus besiegt und an 
Arturs hof geschickt; Margerie reitet mit ihrem sperber vergnügt 


—. 30: = 


fort. Libiaus und Helie kommen dann zu dem prachtvollen 
schlosse Isle d’Or welches die schöne zauberin und fee ‘as blan- 
ces mains’ bewohnt. Auf der schlossmauer sind viele köpfe mit 
helmen aufgesteckt: es sind die häupter der von Malgiers le Gris, 
dem hüter des schlosses im laufe von sieben jahren erschlagenen 
ritter, bleibt er noch zwei jahre hindurch in jedem kampfe 
sieger, so erwirbt er damit die fee zur gemahlin. Libiaus von 
ihm angegriffen besiegt und tötet ihn zur freude des ganzen 
landes und der fee die ihm den höchsten lohn anbietet: 


‘Ma terre vos doins et m’amor: 
A mari, sire, vos prendrai’. (v. 2252f.) 


Libiaus macht von diesem anerbieten keinen gebrauch, bleibt 
aber einige zeit in Isle d’Or bis ihn Helie an den zweck seiner 
reise erinnert; da er fürchtet die fee würde ihn nicht fortlassen, 
so entweicht er heimlich mit seinen begleitern. Sie gelangen 
alsdann zu dem schlosse Galigans dessen besitzer Lampart jeden 
fremden auf’s beste bewirtet der ihn im zweikampfe besiegt, im 
andern falle aber schmählich behandelt. Von Libiaus besiegt 
nimt er diesen freundlich auf und geleitet ihn nachdem er durch 
Helie den zweck seiner reise erfahren hat am folgenden morgen 
nach ‘Cite Gaste’ wo ihm das gefährlichste abenteuer bevorsteht. 
Die stadt ist ganz menschenleer und verwüstet, in der mitte 
steht ein grosser marmorpalast mit tausend fenstern in deren 
jedem ein jongleur mit einer kerze und einem musikinstrumente 
sitzt. Lampart rät dem Libiaus er solle nur kühn in den saal 
des palastes treten und dort sein abenteuer erwarten ohne sich 
um die höllenmusik der tausend jongleurs zu kümmern: 


‘Trestout bel vos salueront;; 
Vos respondes (Hipp. respondres): Dius vos maudie! 
Ceste orison n’oblies mie’. (v. 2802 ff.) 


Libiaus tut was ihm geheissen. Im saale angekommen wird er 
von den jongleurs mit ihrer grässlichen musik begrüsst, spricht 
seinen fluch über sie und harrt der dinge die da kommen sollen. 
Ein ritter, Eurains li fiers greift ihn an, wird aber in die flucht 
geschlagen. Die jongleurs löschen ihre kerzen aus und er- 
schrecken den Libiaus wider mit ihrem lärm. In der dunkelheit 
naht Mabon ‘uns chevaliers grans et corsus’ (v. 2964) der gar 
furchtbar geschildert wird: 


—. Fee 


Si oil luissoient cum (Hipp. comme) cristals. 

Une corne ot el front: devant; | 

Par la gole rent feu: ardant: 

N’ainc hom ne yit si bien movant; 

L’alaine avoit fiere et bruiant etc. (v. 2968 ff. ) 
Nach schwerem kampfe tötet Libiaus ihn endlich. Dann naht 
sich ihm unter der lärmenden musik der jongleurs eine schlange 
von demütiger und flehender gebärde, bezaubert ihn durch 
ihre brennenden augen, küsst ihn plötzlich und verschwindet. 
Der zauber ist nun durch: den “fier baisier’ (3180. vgl. 188. 4905) 
gebrochen; eine stimme verkündet dem Libiaus seinen namen 
und seine abstammung: | 

‘Guinglains as non, en batestire. 

Tote ta vie te sai dire. 

Mesire Gauvains est tes (Hipp. ton) pirer 

Si te dirai qui est ta möre. 

Fius es: a& Blancemal le fee:!) | 

‚Armes te donna (hds. donnaj) et espee: 

Au roi Artur puis t’envoia’ etc. (v. 3207 1f.) 
Guinglain versinkt in tiefen schlaf; beim erwachen sieht er 
eine schöne jungfrau bei sich die ihm mitteilt sie sei Esmeree, 
die tochter des königs Gringars um deren willen er hierher ge- 
kommen sei. Bald nach ihres vaters tode sei der zauberer 
Mabon gekommen, habe ihr land Gales und die hauptstadt Se- 
naudon (dies war der eigentliche name von Cite Gaste) verwüstet, 
ihr selbst zugemutet ihn zu heiraten und sie wegen ihrer wei- 
gerung in eine schlange verwandelt; durcli den tod Mabons und 
den ‘fier baisier’ sei sie befreit worden und habe ihre frühere 
gestalt wider erlangt. Zum danke bietet sie dem Guinglain ihre 
hand und ihre krone an; er versichert aber das anerbieten ohne 
Arturs erlaubnis nicht annehmen zu dürfen. Esmerte entschliesst 
sich nun selbst Arturs einwilligung einzuholen; sie hofft Guinglain 
würde sie auf der reise begleiten, aber dieser denkt nur daran 
die fee ‘as blauces mains’ wider aufzusuchen. Unter dem vor- 
‚wande noch eine ritterpflicht erfüllen zu müssen entfernt er sich 
von Esmeree und ‚begibt sich nach Isle d’Or wo er nach mancher 
mühsal sich endlich des vollsten liebesglückes bei der fee zu er- 
freuen hat. Sie erzählt ihm: | 


1) Diesen vers hat Hippeau verändert in : 
Fius es a Blancesmains la fee. 


‘Trestout co oi!) je par mon sens: 

Et sacies que moult a lonc tens 

Qu’amer vos commencai premiers; 

Ains que vos fuissies chevaliers, 

Vos amai je, car bien le soi, 

Qu’en Je maisnie Artur le roi 

Nen avoit I millor vasal 

Fors vostre pere le loial; 

Por ce vos amai je forment. 

Cies vostre möre moult sovent 

Aloie je por vos veir; 

Mais nus ne m’en fesist issir. 

Votre mere vos adoba, 

Au roi Artur vos envoia, 

Et si vos commanda tres bien 

Qu’au roi demandissies del sien 

Le don, comment que li fust ciers, (Hipp. il fu cier) 
Que vos li querries premiers. (Hipp. li premier) 
Ce so je tot premierement 
L’avanture certainement 

Que vos aves ici trovee etc.’ (v. 4869 ff.) 


Guinglain verspricht ihr stäte treue und wird von ihren 
untertanen als gebieter anerkant. Indes ist Esmeree an Arturs 
hof angelangt, gibt sich dort zu erkennen, offenbart des schönen 
unbekanten wahren namen und abkunft und bittet Artur ihr den- 
selben zum gemahl zu geben. Artur ist gern dazu bereit und 
sinnt nach wie er wol Guinglain wider an seinen hof ziehen könne. 
Es wird beschlossen ein turnier abzuhalten 

Entre le castel as Puceles 

Et (hds. und Hipp. En) Valedon. (5208 £.) 
Man hofft Guinglain werde davon hören und hinkommen. 
Das geschieht auch: durch zwei jongleurs erfährt Guinglain von 
dem turnier und will es besuchen; vergebens sucht ihn die fee 
zurückzuhalten; er verspricht zwar gleich nach dem turnier wider 
zu ihr zu kommen, sie weiss aber dass das nicht geschehen wird 
und lässt ihn endlich ziehen. Guinglain in Valedon angelangt be- 
siegt natürlich im turniere alle ritter und nimt auf Arturs rat die 
hand der Esmeree an. Die vermählung wird zu Sinaudon in der 


1) hds. co o, Hipp. ce so. 


un Mar. 


anwesenheit Arturs und seines ganzen hofes gefeiert. Und so 
lebt Guinglain ferner glücklich als könig von Gales.” 

Aus der inhaltsangabe des französischen gedichtes tritt die 
grosse verschiedenheit von der darstellung Wirnts klar vor augen; 
sie ist so stark dass man sich veranlasst sehen könte für Wirnt eine 
andere quelle als den Bel Inconnu anzunehmen. Würklich urteilte 
Mussafia!): ‘zur feststellung des verhältnisses Wirnts zu seiner 
quelle bietet also, wie man sieht, diese veröffentlichung (d. h. der 
Bel Inconnu) keine neuen anhaltspunkte’ Auch Paul Meyer?) 
nahm für Wirnts gedicht eine andere quelle an als das Werk 
'Renaulds. Mit dieser annahme jedoch würden wir wie bewiesen 
werden soll auf eine unmöglichkeit stossen. 

Ich füge hier zunächst die besprechung des englischen ge- 
dichtes und des französischen prosaromans an um sogleich beim 
beginn meiner untersuchung ihr verhältnis zu dem werke Renauld’s 
festzustellen. 

Das englische gedicht für dessen beliebtheit und verbreitung 
die verzweigte handschriftliche überlieferung und die erwähnung 
bei Chaucer?) zeugt wurde zuerst von Percy*) bekant gemacht, 
dann von Ritson?) vollständig herausgegeben, später noch einmal 
nach derselben handschrift — angeblich zum ersten male —- von 
Hippeau als anhang zum Renauld de Beaujeu (s. 241—330), zu- 
letzt nach einer anderen recension und mit einer etwas dürftigen 
einleitung von Hales und Furnivall®).. Der unbekante verfasser 
beruft sich auf eine französische quelle: 

v. 222. so seyth the Frenzsch tale. 

v. 2122. as the Frenssch tale teld. 
Mag das gedicht nun unmittelbar auf dieser französischen er- 
zählung beruhen oder überarbeitung eines älteren englischen ge- 
dichtes sein, unzweifelhaft ist die ‘French tale’ mit Renaulds de 
Beaujeu Bel Inconnu identisch wie die übereinstimmung im gange 


1) In Eberts jahrbuch f. rom. u. engl. lit. 4, 418. 

2) Roman de Flamenca ed. P. Meyer. Paris 1865. p. 285, note 1. 

s) Warton History of English poetry. new edition London 1824. 2, 31.40. 

4) Reliques of ancient english poetry. (2nd ed. London 1767.) 3, XVILE. 
XXIV. 

8) Ancient engleish metrical romanceös. London 1802. (3 voll.) 2, 1-90. 
vgl. 3, 253 ff. und ‘dissertation on romance and minstrelsy’ 1, s. LÄXXVII. 


AÄCV. 
6) Bishop Percy’s Folio Manuscript. Ballads and Romances. edited by 


J. W. Hales a. F. J. Furnivall. 3 voll. London 1867—1868. 2, 404—499. 


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der erzählung und in den meisten namen beweist!). Verände- 
rungen in kleinen zügen und auslassungen können in dem kurzen 
(2130 verse enthaltenden) bänkelsängerischen gedichte nicht be- 
fremden; erwähnenswert ist dass v. 13—30 :eine kurze sehr an 
die Parzivalsage erinnernde jugendgeschichte des helden vorauf- 
geschickt ist. 
| Noch weniger abweichungen von dem gedichte Renaulds 
zeigt der französische 'prosaroman ‘L’Hystoire de Giglan filz de 
messire Gauuain qui fut roy de Galles. Et de Geoffroy de Maience 
son cöpaignd: tous deux cheualiers de la table ronde. Es gibt 
mehrere alte drucke?); ich habe eine ausgabe s. I. e. a. mit bildern 
benutzt, dieselbe nach welcher der unbrauchbare auszug in der 
Bibliotheque des romans®) angefertigt ist. — Als verfasser nennt 
sich ein mönch Claude Platin; er behauptet die geschichte der 
beiden titelhelden in einem alten buche ‘escript en rime espaig- 
nole assez difficile a entendre’ gefunden zu haben. Diese -ver- 
wunderliche angabe nahm schon Benecke nur mit vorsicht auf, 
ihre unhaltbarkeit hat zuerst mit bestimmtheit Grässe*) erkant. 
Trügerische berufung auf lateinische griechische arabische quellen 
ist im mittelalter häufig: eine spanische quelle wird fälschlich in 
den italienischen übersetzungeu des Chevalier de la Croix ange- 
geben°), so auch in unserem roman. Dass die geschichte Giglans 
deren übereinstimmung mit dem englischen gedichte schon Benecke?) 
darauf führte dieselbe quelle für beide werke anzunehmen aus dem 
Bel Inconnu Renaulds ausgezogen ist lehrt der erste vergleichende 
blick. Mit dieser geschichte hat Claude Platin ohne irgend welchen 
zusammenhang herzustellen die des Geoffroy de Maience verbun- 
den; endlich hat er noch ein paar alberne zauberspässe des Guyon 
de la roche und ein gleichartiges abenteuer Gauuains mit einem 
ritter der sich seinen namen beigelegt hat angeflickt. In bezug 
auf das letztere sagt Platin: “Quant messire gauuain eut acheue 
son conte | le roy dist | ceste aduenture doit bien estre mise en 
escript auec les aultres aduentures du sang greal | car cest vne des 

1) s. Hales u. Furnivall aao. 2,406. ganz wertlos ist Kölbings aufsatz 
‘zur überlieferung und quelle des mittelenglischen gedichtes ar Dis- 
conus’ in den englischen studien 1, 121—169. 

2) 3. Benecke vorrede zum Wigalois s. XXVI. 

®) Octobre 1777. premier volume p. 59 fl. 

4) Allgemeine literärgeschichte 2, 3, 225. 


5) Grässe aao. 2, 3, 212. 
0) aao, 5. XXVI. 


u | 


esträges de quoy ie ouysse oncques parler. Alors les clercz furent 
mandez | et mirent en escript laduenture | ainsi que vous auez 
entedu cy dessus auec les aultres aduetures des aultres chevaliers 
de la table ronde.’ Platin hat also das abenteuer wol aus der 
sogenanten Queste du St. Graal genommen, auch für die empörung 
Mordrers gegen Artur beruft er sich auf einen ‘livre de la queste 
du sang greal’, ferner auf Jehan Bocasse ‘livre des nobles mal- 
heureux’. Man sieht, die quellen die ihm so spanisch vorkamen 
sind in gar verschiedenen französischen büchern zu finden. Die 
darstellung der Giglansage stimmt bis auf kleinigkeiten mit Renaulds 
gedichte überein so dass die annahme einer andern quelle durch 
nichts zu begründen ist. 

Da nun das englische gedicht und der französische prosa- 
roman auf Renaulds Bel Inconnu als ihre quelle zurückgeführt 
sind olıne durch irgend welche beiden oder gar auch Wirnts Jar- 
stellung gemeinschaftlichen abweichungen davon auf eine andere 
redaction desselben schliessen zu lassen, so vermögen sie uns für 
die quelle der Wirntischen dichtung nichts zu lehren was wir 
nicht besser aus Renauld selbst lernen können. Wir ziehen sie 
daher im folgenden nicht weiter in betracht. 

Selen wir zunächst was uns Wirnt selbst über seine quelle 
berichtet: er gibt als solche keines dichters werk, kein buch an, 
sondern die einmalige mündliche erzählung eines knappen: 

Wig. 8,311. nu wil ich iu ein mare 
sagen als ez mir ist geseit. 
ze einer ganzen wärheit 
trüwe ich ez niht bringen. 

20,15 ff. sagt Wirnt nachdem er erzählt hat dass Gäwein für 

tot betrauert wurde: 
ez enqueme ouch nimer für minen munt, 
hiet mirz ein knappe niht geseit 
ze einer ganzen wärheit, 
wider den ich alle wile streit. 
297,22 ff. Ich wil daz mar volenden hie, 

als michz ein knappe wizzen lie 
der mirz ze tihten gunde. 
niwan eins von sinem munde 
empfie ich die äventiure. 
Dä von was mir tiure 
daz m&re an manegen enden. 


=, A 2 


Diese beiden letzten zeilen lassen sich nur dahin verstehen : 
dass Wirnt manches stück der erzählung vergessen hatte: den 
vortrag des knappen muss er also einige zeit vor der abfassung 
des Wigalois gehört haben. Hartmanns Iwein der 1202, spätestens 
1203) gedichtet ist ahmt Wirnt von anfang an nach; während 
er dichtete erschienen die ersten sechs bücher des Par- 
zivals?) die er im zweiten teile des Wigalois nachahmt: das 
siebente buch des Parzivals kann nicht allzu lange nach pfingsten 
1203 verfasst sein ?), das fünfte setzt den Iwein voraus (253,10), 
die publikation der ersten sechs bücher darf man mithin 1203 
wol mit sicherheit setzen: Wirnts Wigalois ist also in den jahren 
1203 und 1204—1205 gedichtet: im frischen schmerz über den 
1204 erfolgten tod des herzogs Berthold IV von Meran sind die 
zeilen 206,38 ff. entstanden. Für die erzählung des knappen wer- 
den wir also auf die jahre 1200—1203 geführt. Woraus aber 
hatte dieser geschöpft? aus einer französischen erzählung selbst- 
verständlich obgleich Wirnt es nicht sagt; aber war diese ein 
dichtwerk? Was trug der knappe überhaupt vor, eine prosaische 
deutsche erzählung nach einer französischen sage oder ein fran- 
zösisches gedicht, etwa in einem höfischen kreise in dem auch 
Wirnt anwesend war? Das letztere ist weniger wahrscheinlich; da 
Wirnt doch überhaupt von seiner quelle spricht, so würde er 
vermutlich wenn er ein französisches gedicht aus dem munde des 
knappen gehört hätte ein wort darüber sagen. Doch ist vorläufig 
die frage noch nicht zu entscheiden; zunächst komt es darauf an 
festzustellen welches französische werk die grundlage für den vor- 
trag des knappen abgegeben hat. 

Es ist uns nur eine altfranzösische behandlung des stofles 
bekant, das gedicht Renaulds. Der herausgeber Hippeau nennt 
diesen zwar auf dem titel und sonst (p. XXIV£.) einen dichter des 
dreizehnten jahrhunderts, aber diese auf nichts gegründete zeit- 
bestimmung hat gerade so viel wert wie Bodmers ‘schwäbischer 
zeitpunkt‘. Die sprachform und der altertümliche stil zeigen dass 
der Bel Inconnu dem 12ten jahrhundert angehört), dass er 
wenigstens nicht erheblich nach 1200 fallen kann. Der sonst 
nirgend erwähnte dichter nennt sich v. 6105 selbst Renals de 


1) Naumann in der ztschr. f. deutsches altert. 22, 41 f. 

2) Sprenger in der Germania 20, 432 ff. vgl. Medem s. 24. 
®) Lachmann zu Walther 20, 4 (Wolfram s. XIX). 

4) s. Mebes in dem angeführten progr. s. 20. 


— 17 — 


Biauju. Herren von Beaujeu gab es in Burgund, doch habe: ich 
in burgundischen urkunden einen. Renauld nicht gefunden. Er 
zeigt vertrautheit mit dem ganzen gebiete der älteren epischen 
literatur, mit der Karl- und Rolandsage. (v. 3012f.), mit. der 
Alexandersage (v. 3419), mit der Trojanersage (v. 4258 ff;),. sowie 
mit dem gesamten personal der Artussage. Besonders genau hat 
er Chrestiens de Troies Erec gekant; nicht nur hat er eine menge 
personennamen aus diesem gedichte herübergenommen!) sondern 
auch ganze episoden nachgeahmt: die geschichte von Clarie die 
von zwei riesen geraubt ist ist eine nachbildung der erzählung 
von Cadoc de Tabriol und den beiden riesen?), desgleichen ist 
was von Giflet d’O und dem sperber erzählt wird einer bekanten 
episode des Erecs nachgeahmt. Chrestiens Erec mag etwa 1170 
entstanden sein®); somit ist für Renaulds Bel Inconnu das letzte 
viertel des zwölften jahrhunderts als entstehungszeit allein wahr- 
scheinlich. Ä 

Der zeit nach also konte Renaulds werk dem sorge 
des knappen den Wirnt als seinen gewährsmann nennt sehr wol 
zu grunde ligen. Wollen wir nun aber der verschiedenheit der 
.darstellung wegen im Bel Inconnu die quelle für Wirnts Wigalois 
nicht erblicken, so haben wir zwischen zwei möglichkeiten zu 
wählen: entweder gab es eine ältere französische bearbeitung des- 
selben stoffes aus welcher sowol Renauld de Beaujeu als auch 
Wirnts gewährsmann geschöpft haben, oder wenn Renauld den 
stoff zuerst bearbeitet hat hatte ein jüngerer französischer diehler 
eine überarbeitung des Renauld’'schen werkes geliefert auf welcher 
die erzählung des knappen beruhte. | 

Die erste annahme dass der knappe eine ältere französische 
bearbeitung kante ist ganz sicher zu widerlegen; eine Ban hat 
es niemals gegeben. 

Zwar hat man der Wigaloissage ein sehr hohes alter zu- 
schreiben wollen, aber olıne grund, Es findet sich bei Baleus*) 
folgende auffallende notiz: „Gildas quartus . . . genitorem .. . 


1) vgl. das verzeichnis der ritter an Arturs hof im Bel Inc. v. 31—51. 
5369—5466 und in Chrestiens Erec 1680 ff. s. auch Haupt zu Hartmanns 
Erec 1631 f. 

2) Chrestiens Erece 4323 f,, Hartmanns Er. 5355 ff. 

8) Schwerlich früher. s. Fauriel in’ der Revue des deux mondes 8, 161. 

4) Seriptorum illustrium maioris Brytanniae catalogus 1, 122 f. (cent. 2, 
cap. 21). 

2 


Bee 


=; FR ze 


Hiberniensem Scotum habuit. Hic ille Gildas ...... pro or- 
nandis Hibernis ac Scotis historiam quandam Brytanorum nomine, 
ex Galfridi et aliornm scriptis incoepit anno Domini 829, quam.... 
splendidis mendaciis .... confudit. ... Et, ut tandem ad scripta 
veniamus, edidit 


Breviarium Gildae lib. 1 
De mirabilibus Brytanniae TR | 
De primis habitatoribus | 
De rege Arthuro | 
De sepulcro eius incognito | 
De esse (?) periculoso rd 
De milite Leonis RO: | 
De milite quadrigae ee | 
De Perceuallo et l.anceloto u A 
De Galguano et aliis a 


Atque adhuc plura. Claruit senex, anno post Servatoris nostri 
nativitatenn 860 etc.“ Der ausdruck ‘ex Galfridi et aliorum scriptis’ 
soll doch wol bedeuten ‘wie Galfrid und andere bezeugen. In der 
tat beruft sich Galfredus Monumentensis?) in seiner Historia regum 
Britanniae mehrfach auf einen Gildas (historicus) 1,1. 2,17. 3,5. 
4,20. 6,13. 12,6. Er erklärt aber 1,1 ausdrücklich über Artur in 
des Gildas schriften keine auskunft gefunden zu haben; auch ist 
nach allem was wir über die geschichte der Artussage wissen ganz 
undenkbar dass jemand im 9. jahrhundert schon über die ein- 
zelnen helden derselben ganze bücher schreiben konte; sind doch 
bei dem so viel späteren Galfredus die nachrichten über Artus und 
seine helden noch selır dürftig. Es ligt hier also ein irrtum vor. 
Gleichwol benutzte Docen?) diese notiz um für die Wigaloissage 
ein hohes alter wahrscheinlich zu machen indem er annahm dass 
der ‘miles quadrigae’ mit dem ‘ritter mit dem rade’ identisch sei. 
Die richtigkeit dieser identificierung vorausgesetzt würde nach den 
vorstehenden ausführungen daraus noch gar nicht auf ein hohes 
alter der sage zu schliessen sein; aber die vermutung selbst ist 
ganz nnbegründel; denn erstens finden wir den ‘ritter mit dem 
rade’ nur in Wirnts darstellung, nicht in der doch unzweifelhaft 
älteren gestalt welche die sage in Frankreich und England zeigt, 


1) In ‘Rerum Britannicarum scriptores’. Heidelberg 1587. 
2) In seiner recension der Beneckeschen ausgabe des Wigalois. Wiener 
jahrbücher der literatur 15 (1821), 66. 


—. 109,05 


zweitens hat eine quadriga mit dem glücksrad Wig. 31,12 ff.!) nach 
dem Wigalois sein wappen und seinen zunamen trägt?) oder mit 
dem gefährlichen rade Wig. 174,31 ff. nichts zu tun. Kurz und gut, 
der miles quadrigae ist niemand sonst als der wolbekante ‘chevalier 
de la charrette’; dass dieser hernach noch besonders mit seinem 
namen Lancelot genant wird kann nicht befremden; existierte 
doch die Lancelotsage in zwei sehr verschiedenen fassungen: in 
der einen erscheint sie in Chrestiens ‘roman de la charrette’, in 
der anderen in Ulrichs von Zatzikhofen Lanzelet. Der beigebrachte 
grund für das alter der Wigaloissage ist also hinfällig. 

Nirgend vor Renauld de Beaujeu wird von Guinglain oder 
Libiaus gesagt oder gesungen, wol aber werden wir dem schönen 
unbekanten in der Artusdichtung des dreizehnten jahrhunderts 
widerbolt begegnen. Wenn der dichter sich auf eine quelle 
beruft (v. 4. 5. v. 6102) so ist das nichts als die gewöhnliche 
phraseologie des höfischen epos. Ein dichter der eine lebende 
sage nacherzählt oder eine schon schriftlich nidergelegte bearbeitet 
konte in einer zeit der treues festhalten an der überlieferung als 
die erste tugend eines epischen gedichtes galt sich unmöglich mit 
so nichtssagenden angaben über seine quelle begnügen wie wir sie 
bei Renauld finden in der widmung an seine dame v. 4 f. 

Por li veul un roumant estraire 
D’un moult biel conte d’aventure 
und am schluss v. 6101 £. 
Puis fu rois de moult grant memore 
Si com raconte li istore. 
Auch lehrt die betrachtung des in dem gedichte bearbeiteten 
stoffes dass wir hier nicht würkliche sage, sondern geschickte, 
aber willkürliche erfindung und compilation des dichters vor uns 
haben. An die in den Artussagen öfter widerkehrende geschichte 
eines ritters der seine abstammung und seinen namen nicht kennt 
hat Renauld das überall bekante mährchen von der in eine schlange 
verzauberten königstochter angeknüpft die durch einen kuss ihre 
menschengestalt wider erlangt?); um in die sich daraus ergebende 
einfache fabel dass der unbekante ritter auszieht um die prin- 
zessin zu befreien, auf dem wege eine reihe gefährlicher abenteuer 


!) Ueber die einfügung des glücksrades bei Wirnt s. Wackernagel in 
Haupts ztschr. 6, 141 ff. 

*) Wigalois 83, 3. vgl. 51, 5. 39 ff. 

°) vgl. Ulrichs Lanzelet v. 7844—8028. 


28 


Be. 


0% — 


besteht, den zauber bricht und die prinzessin heiratet grössere 
spannung hineinzubringen schuf der dichter das liebesverhältnis 
zwischen der fee Blanchemain und seinem helden welches zu- 
gleich dazu dient namen und herkunft des unbekanten ritters zu 
olfenbaren. Das anfangsmotiv der fabel dass der held um seinen 
namen gefragt nur zu sagen weiss seine mutter habe ihn ‘biel 
fil' genant wodurch dann die bezeichnung ‘Li Biaus Desconneus’ 
motiviert wird ist dem Perceval entlehnt!); dies hat der englische 
bearbeiter richtig empfunden und verwertet wie wir bereits be- 
merkt haben (s. 14). Wir haben ferner gezeigt (s. 17) dass 
Renauld mehrere stücke aus Chrestiens Erec nachgeahmt hat; 
derartige entlehnungen möchten sich bei weiterem nachforschen 
noch mehrere finden lassen. Das zusammentreffen der verschie- 
denen angegebenen gründe zwingt uns zu der annahme dass 
Renauld seinen stoff selbständig erfunden d. h. aus verschieden- 
artigen bestandteilen zusammengesetzt hat. Eine frühere bearbeitung 
desselben aus welcher Wirnts gewährsmann geschöpft haben könte 
hat es also nicht gegeben. 

Es bleibt mithin nur noch die möglichkeit offen dem knappen 
habe eine spätere bearbeitung des Renauld’schen gedichtes vor- 
gelegen. Aber was nötigt denn zu dieser annahıme? Ein fran- 
zösischer überarbeiter würde doch zweifellos in allen wesentlichen 
stücken, besonders in den namen und im gange der handlung 
‚sich eng an Renauld angeschlossen haben so gut wie es der eng- 
lische bänkelsänger und der mönch Claude Platin getan haben. 
Und wenn wir einem französischen überarbeiter zutrauen wollen 
dass er: so vieles selbständig verändert ausgelassen oder hinzu- 
gefügt hat um wie viel begreiflicher ist dasselbe bei dem deut- 
schen dichter der doch dadurch dass er — nach seiner eigenen 
angabe — viel aus der erzählung vergessen hatte zu grösserer 
gelbsttätigkeit gezwungen war. Ein grund also ligt für die an- 
nahme nicht vor, erläutert wird durch sie nichts, sie dient also 
nur dazu „die frage aus dem gebiete der untersuchung auf das 
unergründlicher möglichkeiten zu spielen.“ Schon aus diesem 
grunde müsten wir sie verwerfen, sie lässt sich aber auch ganz 
bestimmt widerlegen. Wir haben als entstehungszeit des Bel 
Inconnu das ende des 12. jahrhunderts kennen gelernt; wir können 


1) Chrestion do 'Troyes. Perceval le Gallois. publi& par Ch. Potvin. 
6 voll. Mons 1865—1871. v. 1232, 1567 u. o. vgl. Wolframs Parzival 140, 6 ff. 


22. DE 


zu einer noch bestimmteren datierung kommen. . Das anfangs- 
motiv ist wie wir sahen aus dem Perceval Chrestiens entliehen; 
dieser muss bald nach 1190 veröffentlicht sein, denn wenige jahre 
später?!) spielt ein provenzalischer dichter, Rambaut de Vaqueiras 
in einer canzone?) auf Percevals kampf mit dem roten ritter?) an 
Arturs hof wie auf etwas bekantes an: dass aber die Percevalsage 
in der Provence erst durch Chrestiens gedicht bekant wurde ist 
nicht zu bezweifeln *). [Die alte annahme°) dass Chrestiens literarische 
tätigkeit 1191 endige — er starb ehe er den Perceval vollendet 
hatte — ist also wol zu begründen.) Renaulds Bel Inconnu kann 
mithin nicht vor 1190 entstanden sein, aber auch nicht erheblich. 
nach 1200 wie wir schon oben sahen. Ungefähr um 1200 fangen 
auch die anspielungen auf den Bel Inconnu in der romanischen 
Artusdichtung an. Die älteste findet sich bei dem ersten fort- 
setzer des Chrestienschen Perceval, Gautier de Doulans; der 
dritte und letzte fortsetzer Manesier hat aller wahrscheinliclikeit 
nach 1214— 1227 gedichtet®), Gaultier also. ungefähr um 1200. 
Er hat zwei episoden erfunden in denen der schöne unbekante 
auftritt: einmal’) trifft sein vater Gauvain mit ihm zusammen und 
kämpft mit ihm; nachdem sie sich erkant haben begeben sich 
beide an Artus hof; zweitens®) trifft auch Perceval mit ihm zu- 
sammen; nachdem beide mit einander gekämpft gibt sich der un- 
bekante mit folgenden worten zu erkennen (Perceval 24583 ff.): 


1) Die zeitbestimmung ergibt sich aus Diez Leben und werke der trou- 
badours s. 270. 283. 291. 

2) Raynouard Choix des poes. orig. des troub. 3, 258. Parpasse ocecita- 
nien 8. 78. Mahn Werke der troub. 1, 366: | ; 

Anc Persavals, quant en la cort d’Artus 
Tole las armas al cavalier vernelh, 
Non ac tal gaug cum ieu. 

8) Perceval v. 2058 f. 

4) Eben so urteilt Birch—Hirschfeld ‘Die sage von Gral’ Leipzig 1877, 
s. 2i1f. “Ueber die den provenz. troub. des 12. u. 13. jhs. bekannten epi- 
schen stoffe’ Halle 1878. s. 48. 

5) Roquefort De l’&tat de la poesie frangaise dans les 12 et 13 siecles. 
Paris 1821 s. 72. vgl. W. Grimm in den abhandlungen der Berliner akade- 
mie 1844 s. 376. 

°®) Holland Chrestien de Troies s. 214. Roquefort aao. s. 194 nahm an 
1206—1212. vgl. Birch—Hirsohfeld Die sage vom Gral s. 110f. 119. 

') Perceval v. 20376— 20816. 

®) Perceval v. 24477—24745. vgl. Percheval li Galois hrsg. von Rochat 
Zürich 1855. s. 24. 


_ 2 — 


Le biaus Desconneus ai nom, 

Ensi m’apielent li Breton ; 

Mesire Gauvain est mes p£re, 

Qui plus vos aime de son frere etc. 
Zwischen 1190 und 1200 also ist Renaulds Bel Inconnu 
entstanden ; bald nach 1200 muss Wirnt die erzählung seines 
knappen gehört haben; wo bleibt nun in den paar jahren zeit 
für einen französischen überarbeiter? Es kann also der erzäh- 
lung des knappen nur das werk Renaulds zu grunde gelegen 
haben. Dass dies bekant und verbreitet war bezeugen anspie- 
lungen ;. die bei Gautier de Doulans haben wir schon angeführt, 
es gibt noch einige mehr. Zwar der von Meisner (in der disser- 
tation s. 8) herbeigezogene Inconnu in einer triade mytlologique') 
hat mit dem schönen unbekanten wol nichts zu tun, aber wol 
finden wir ihn in den provenzalischen Artusgedichten des 13ten 
jhs. wider. im roman de Jaufre wird er unter den rittern der 
tafelrunde genant?): 

Aqui fon monseiner Galvans 

Lancelot del Lac e Tristans 
E Foi (? lies ‘fo i’) lo bels desconegutz. 
Auch der roman de Flamenca nennt ihn in einer stelle wo 
alle bekanten und unbekanten romanhelden aufgezählt werden: 

L’autre comtava de Fenisa 

Con transir la fes sa noirissa ; 

L’us dis del bel Desconogut etc. °). 
Wir haben feruer gesehen dass das werk Renaulds in Eng- 
land bekant war und dass es später in Frankreich zu einem 
prosaroman umgearbeitet wurde: ein so bekantes und hochge- 
schätztes werk konte gar leicht seinen weg auch naclı Deutsch- 
land nehmen welches kein geistiger schutzzoll von den erzeug- 
nissen der französischen romanfabrikation absperrte. 

Da sich nun ergeben hat dass es weder vor noch nach Re- 

nauld eine französische bearbeitung desselben stoffes gegeben hat 
aus welcher Wirnts gewährsmann schöpfen konte, so bleibt nur 


noch die annahme übrig dass sein vortrag auf Renauld beruhte; 


1) Th. de la Villemarque Contes populaires des anciens Bretons. 2 voll. 
Paris 1842. 2, 123. 

2) Raynouard Lexique roman 1, 49a. 

8) Roman de Flamenca v. 669 ff. 


—_—3 — 


dieser also ist mittelbar auch die quelle für Wirnts dichtung. 
Ob der deutsche dichter den Bel Inconnu selbst aus des knappen 
munde gehört hat oder nur dessen inhalt ist vorläufig noch nicht 
mit sicherheit zu entscheiden ; die grossen verschiedenheiten so 
wie der bereits oben (s. 16) erwähnte umstand machen das letz- 
tere wahrscheinlicher. Eine eingehende untersuchung hierüber 
wird das zweite kapitel dieser arbeit bringen. Ehe ich dazu 
übergehe wende ich mich zu einer prüfung der behauptungen 
die herr dr. Mebes in der oben genanten schrift aufgestellt hat. 
Dieselben lauten: 

„1) Die verse 1523— 3286 (43,14—87,21) des Wigalois 
lassen sich inhaltlich und z. t. auch wörtlich mit den versen 
1—315, 2471—2726 und 687—1850 des Bel Inconnu von Re- 
nauld de Beaujeu identificieren. 

„2) Die verse 1—1523 und 3287—11708 des Wigalois sind 
inhaltlich vollständig verschieden von v. 1851—6122 des Bel In- 
connu. Diese beiden teile, 1—1523 und 328711709, scheinen 
nach der mündlichen erzählung des knappen, der den inhalt des 
Bel Inconnu einmal erzählen gehört, aber fast vollständig ver- 
gessen zu haben scheint und sich nur hin und wieder ganz 
dunkel an die darstellung Beaujeu’s erinnert, gedichtet worden 
zu sein. 

„3) Wirnt von Gravenberg muss den ersten teil des Bel 
Inconnu v. 1—315. 2471—2726. 687—1850 in einer hand- 
schrift besessen haben. 

„4) Der Bel Inconnu von Beaujeu ist als die französische 
quelle zu betrachten, die der knappe sowie Wirnt von Graven- 
berg gekannt haben.“ 

Sehr logisch geordnet und abgefasst sind diese thesen gerade 
nicht ; die 4te solte an der spitze stehen, 1 und 3 solten zu 
einer einzigen zusammengefasst sein. Zur begründung der 4ten 
these wird eigentlich gar nichts beigebracht; die mühe die zeit 
des französischen gedichtes festzustellen, seine geschichte zu ver- 
folgen und sein verhältnis zu dem englischen gedichte und zu 
dem französischen prosaroman zu untersuchen hat herr dr. Mebes 
sich erspart. Ueber das englische gedicht sagt er nur (s. 4), es 
sei nach Renauld de Beaujeu gearbeitet, aber nach einer andern 
als der von.Hippeau veröffentlichten handschrift (I), da der auf- 
enthalt Guinglains bei der fee Blanchemain fehle; in der tat .hat 
aber der englische überarbeiter nur den zweiten aufenthalt Guin- 


_— MM — 


glains bei Blanchemain fortgelassen, weil er nachdem das haupt- 
abenteuer erledigt ist nur noch das interesse hat seinen helden 
unter frommen segenswünschen möglichst schnell in’s ehebett zu 
befördern. Zum beweise für die erste behauptung wird der in- 
halt der angegebenen teile der Wirntischen und der Renauld’schen 
dichtung neben einander gestellt der.nur ergibt dass Wirnt hier 
eben in) grossen und ganzen der französischen erzählung folgt 
(freilich mit auslassungen änderungen umstellungen) ; von der z.t. 
„wörtlichen übereinstimmung“ habe ich nichts entdecken können. 
Diese angeblich wörtlichen übereinstimmungen benutzt nun herr 
dr. Mebes auch als beweis für die dritte behauptung dass Wirnt 
die angegebenen teile des Bel Inconnu in einer handschrift vor 
sich hatte. Als auffallende übereinstimmungen und „ziemlich ge- 
treue überselzungen‘ werden angeführt: 


Bel Inconnu 166—192: (angeblich = Wig. 49 a 


Devant le roi vint Ja pucele; 

Moult le salua simplement 

Et ses compaignons ensement ; 

Et li rois son salu li rent. 

'Mult li respondi bonnement. 

Ce disoit la Pucele au roi: 

„Artur, fait-ele, entent a moi. 

La fille.au roi Gringars te mande 
Salus, si te prie et demande . 
Secors, qu’ele en a grant mestier: 
Ne li estuet c’un chevalier, | 
Uns chevaliers le secora. (Hipp. la secorra) 
Por diu, gentis rois, secor la. 

Moult a painne, moult a dolor; 
Moult est entree en grant tristor. 
Envoie-li tel chevalier, 

Qui bien li puisse avoir ımestier, 
Trestot le (Hipp. li) millor que tu as. . 
Por Diu, te pri, ne large pas. 
Lasse! com ma Dame a dolor! 
Certes moult auroit grant honnor 
Icil qui de mal l’estordroit, 

Et qui le Fier Baisier feroit. 

Mais pros que il(?)li a mestier ! 


5 — 


Onques n’öt tel a chevalier. 

Ja mauyais hom’ le don ne quiere; . 

Tost (hds. u. Hipp. tot) en giroit envers (Hipp. 
en vers) en biere.. 

Bel Inconnu 2487—-2514 (angeblich — wig. 83, 23-54 ‚13): 
Li chevaliers dist: „Que ferons? . 
Damöisele, herbergerons 
En cest castel ici devant?“ 

. Cele respondit maintenant: 
„Sire, fait-ele, nenil mie. 
De lä aler n’ aies envie. 
Car tant en ai oi parler, 

. Que moult i fait mauvais aler.. 
Un usage vos en .dirai, : 
Dou. castel que je moult bien sai.. 
Li borjois qu’en la vile sont 
Ja homme ne herbergeront. 
Tot herbergent cies (hds. cis) le signor; 
Car il veut faire ä tos honor, 
Et Lampars a a non li sire, 
Dont je vos veul l’usage dire. 
Il ne herberge chevalier 
Qui viengne armes (hds. arme) sur son destrier, 
Se premiers ne jostent andui, 
Tant qu/il Yabatra, u 1] lui. 
Mais se Dius velt itant aider 
CGelui qui i vient herberger, 
Que il abate le signor, 
Östel ara,.a grant honar; 
Et se li sires abat lui 
Si s’en retorne a grant anui 
Parmi la vile, sans cheval; 
Ases i suefre honte et mal.“ 

Bel Inconnu 623—717 (angeblich = Wig. 56, 1557, 15): 
"Quant Hi chevaliers s’esvilla, 

Sur la fresce herbe s’acota; 
En la forest oi un brait?). 


‘) Hippeau ändert diesen und den folgenden vers in: , 
En la forest -oit un brait; 
Lone a vu arries detrait. 


u 


— 4 — 


Lonc, a .IIN. arcies de trait. 
Moult est doce la vois qui: crie; 
Ce sanble mestier ait d’aie; 

Moult forment crie et pleure et brait. 
„Ha! Pucele, oes-vos crier ? 

Ne sai cui plaindre et souspirer? 
Co est fantome, al mien espoir. 
Jo vel aler por li aidier, 

Se je voi qu’ele en ait mestier, 
Haiderai li a mon pooir.“ 

Gele li dist: 
Or en vont tuit; Robers les guie 

Devers le liu ü la vois crie. 

Par la forest vont cevaucant 

Isnelement, Robers devant. 

Venu sont vers la vois qui crie; 

Tant sont pres, que bien l’ont oie. 

Un fu virent mervelles grant; 

Si s’aresturent maintenant. 

Robers lor a le feu mostre; 

Or sevent ce qu'est qu'ot crie. 

Au feu avoit II grans gaians, 

Lais et hisdels et mescreans, 

Li uns tenoit une pucele. 

Ja nus hom ne demant plus biele, 

Se ele n’eüst tel paor; 

Mais molt demenoit grant dolor; 

Molt se complaint et plore et brait, 
Comme la riens qui paine trait. 

Car uns gaians moult l’apressoit, (Hipp. la pr.) 
A force baissier le voloit; 

Mais cele nel pooit soufrir, 

Mius (Hipp. mais) se voloit laissier morir. 
De l'autre part le feu seoit 

L’autre gaians qui rostissoit, 


„Vos n’ires mie!“ 


Et aveuc son poivre faisoit.?) 

Mangier voloient erraument, 

Se l’autre eust fait son talent 

De la pucele qu’il tenoit etc. 

Bel Inconnu 1513—1534 (angeblich. = Wig. 65, 21—35): 

D’un drap de soie estoit vestue; 

Si bele riens ne fu veue. 

La pene dedeus (Hipp. d’edres!) fu bendee 

D’ermine de gris geronee; 

Li sebelins moult bons estoit; 

En nul pais millor n’avoit. 

Les crıns ot blons et reluisans, 

Comme fin or reflanboians. 

D’un fil d’argent (hds. u. Hipp. arge) fu galonuee. 

Si cevaucoit escevelee. 
In bezug auf die letzte stelle heisst es (s. 18): „Die über- 
einstimmung zwischen Wirnt und Renauld de Beaujeu ist so augen- 
fällig, dass es schwer halten dürfte, dies auf eine andere weise 
zu erklären, als dass Wirnt eine handschrift des Bel Inconnu 
vorlag.“ Wenn das richtig ist so erbiete ich mich von jedem 
beliebigen französischen Artusgedicht den beweis zu führen 
dass es von jedem beliebigen mittelhochdeutschen dichter in 
einer handschrift benutzt worden ist. In der tat zeigen die an- 
geführten parallelstellen nur dass Wirnt im allgemeinen hier der 
erzählung des französischen gedichtes gefolgt ist während die ein- 
zelnen züge der darstellung völlig von einander abweichen. Hätten 
die betreffenden abschnitte des französischen originals Wirnt 
würklich in einer handschrift vorgelegen, so begrifle man gar 
nicht weshalb er willkürlich und zwecklos alle namen verändert 
haben solte. Herr dr. Mebes aber weiss sogar dass die hand- 
schrift die Wirnt in händen gehabt haben soll derjenigen welche 
dem englischen dichter vorlag nahe verwant war, weil nämlich 


ı) dies verstand Hippeau nicht, äaderte daher und dichtete einen vers 
hiozu: 

Et aveuc son pointe faisoit 

Norrir le feu qui relusoit. 
In der introductioa (p. VIII) tischt er seinen lesern auf: Il (sc. Guinglain) 
tuo ... denx geants hideux, qui se preparaient a faire brüler dans un bra- 
sier ardent une jenne fille dont ils s’ötaient emparäs! 


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das verhältnis des helden zur fee Blancheimain bei Wirnt voll- 
ständig fehlt; wir werden später zeigen dass Wirnt dasselbe 
kante und absichtlich fortliess, den zweiten abschied Guinglains 
von Blanchemain sogar verwertete, freilich anders als Renauld. 
Die zweite behauptung endlich sucht herr dr. Mebes dadurch zu 
rechtfertigen dass dieangegebenen stücke in den beiden gedichten gar 
keine oder nur äusserst geringe ähnlichkeiten zeigen. Doch sol- 
len dem knappen auch für diesen teil seiner erzählung stücke 
einer handschrift vorgelegen haben. s. 15: „Die handschrift, 
von welcher der knappe einige blätter besass, muss jener hand- 
schrift, nach welcher die englische redaction des Bel Inconnu ge- 
dichtet ist, und welche gleichfalls nichts. von dem zweiten auf- 
enthalte Guinglains bei der fee de !’Isle d’Or, obschon sie dessen 
erstes verweilen bei der fee berichtet, erwähnt, nahe verwant ge- 
wesen sein. Die handschriftliche quelle, welche Wirnt von Gra- 
venberg zu gebote stand, muss daher im vergleiche mit der von 
Hippeau veröffentlichten handschrift, als eine höchst mangelhafte 
bezeichnet werden.“ Dann heisst es s. 19: „Wirnt von Graven- 
berg's klagen, dass seine quelle unzulänglich sei, bezielien sich daher 
nach unserer meinung auf den umstand, dass er nur im besitze 
eines teiles des Bel Inconnu von Renauld de Beaujeu war.“ Die- 
sen verwirrten knäuel beweislos hingestellter und höchst un- 
klar formulierter behauptungen auflösen zu wollen hiesse zeit und 
raum verschwenden. Wirnts ausdrücklicher angabe dass er in 
seiner darstellung der einmaligen mündlichen erzählung eines 
knappen folge müssen wir glauben schenken bis entscheidende 
gründe für die entgegengesetzte annahme beigebracht sind; was 
herr dr. Mebes vorgebracht hat wird wol niemand überzeugen 
können. Dass Wirnts gedicht abgesehen von der im original 
ganz abgehenden vorgeschichte Gaweins und Floriens im ersten 
teile der französischen quelle ähnlicher ist als in den späteren 
abschnitten ist bei der art wie er sie nach seiner angabe kennen 
gelernt hat nicht zu verwundern; wer einen verwickellen aben- 
teuerlichen roman hat vorlesen oder gar nur nacherzählen hören 
dem werden nach einiger zeit die ersten kapitel desselben dem 
inhballe und der reihenfolge nach noch wol gegenwärtig sein 
während die späteren abschnitte wo die einzelnen abenteuer 
sich immer mehr häufen, die begebenheiten sich immer mehr in 
einander wirren ihm nur noch in unklaren vorstellungen und in 
den allgemeinsten zügen vorschweben ; wichtiges wird er vergessen 


während ihm vereinzelte ganz nebensächliche züge treu im ge- 
dächtnis haften. In den angegebenen tatsachen finden also die 
Mebes’schen behauptungen nicht die geringste stütze. Die so 
nahe ligende frage aber ob nicht Wirnt absichtlich in vielen 
stücken von seiner vorlage abgewichen ist, ob er nicht hinzuge- 
dichtet hat (finden wir doch bei ihm viele episoden die dem 
französischen gedichte gänzlich fehlen) scheint herrn dr. Mebes 
gar nicht aufgestossen zu sein; nur wirft er für die vorgeschichte 
des Wigalois frageweise die vermutung auf, sie möchte aus dem 
von Hippeau herausgegebenen gedichte „Messire Gauvain ou La 
vengeance de Raguidel“ entnommen sein; diese frage ist zu ver- 
neinen : das genante gedicht enthält nichts was in irgend einem 
zusammenhange mit dem Wigalois stände. 

Zu einem genaueren resultate als dem von uns gewonnenen 
können wir also auch auf dem von herrn dr. Mebes eingeschla- 
genen wege nicht gelangen ; wir müssen uns daher an dem ge- 
wonnenen genügen lassen. In dem folgenden kapitel untersuchen 
wir nunmehr wie Wirnt seinen verschnörkelten und verschränk- 
ten, seltsamen bau auf dem unzuverlässigen fundament das ihm 
der abbruch des französischen bauwerkes gewährte aufgeführt. hat, 
Wir werden sein gedicht schritt für schritt durchgehen, seine 
abweichungen auslassungen und zusätze feststellen und zu er- 
klären suchen. In dein masse wie uns dies gelingt muss uns 
des dichters begabung und bedeutung in ihrer wahren gestalt, 
in ihrer beschränktheit oder fülle, in ihrer selbständigkeit oder 
abhängigkeit, in ihrer kraft oder schwäche deutlich entgegen 
treten; wir dürfen hoffen dabei ein sicheres material für seine 
 charakteristik und die würdigung seiner bedeutung zu gewinnen. 

Das zweite kapitel, betitelt ‘die bearbeitung Wirnts von 
Gravenberg’ wird in meiner gleichnamigen im verlage der Weid- 
mannschen buchhandlung erscheinenden schrift gedruckt. 


THESEN, 


1) ‚Parz. 338, 7—30 ist von Lucae (de Parcivalis po&m. Wolfr. 
Eschenb. aliquot locis Halle 1859 s. 7—30) und von Paul (Paul 
u. Braune beiträge 2, 81 ff.) misverstanden worden. 

2) Die lehre von der periodischen auflösung der welt in das 
göltliche urfeuer (&xrrüpwors) hat Schleiermacher (Wolf u. Butt- 
mann mus. d. altertumswissenschaft 1, 456 ff. = werke IIl, 2, 94 ff.) 
dem Herakleitos von Ephesos mit recht abgesprochen. 

3) Völundarkr. str. 4 ist die erste zeile: 

„kom bar af veidi vegreygr skyti' 
aus str. 8 herüber gekommen, also zu streichen; in str. 8 ist die 
überlieferte lesart „vebreygr“ beizubehalten. 


vITA 


Richardus Bethge Pomeranus natus sum Colbergii die 28. 
mens. Jun. anni MDCCCLIX patre Henrico, matre Ottilia e gente 
Arndt, quibus superstitibus adhuc gaudeo, Fidei addictus sum 
evangelicae. Primis litterarum elementis imbutus gymnasium Lu- 
isianum Berolinense adii, quod adhuc auspiciis Theodori Kockii viri 
doctissimi flore. ÜUnde quum maturitatis testimonio instructus 
dimissus essem, die 4. mens. Apr. anni MDCCCLXXVII numero 
civium Universitatis Fridericae Guilelmae Berolinensis legitime ad- 
scriptus et nomen apud facultatem philosophicam rite professus 
sum. Philosophiae studiis excepto altero semestri, quo theologiam 
secutus sum, operam navavi praeceptoribus potissimum usus vv. ill. 
Hübner Kirchhoff Müllenhoff Scherer Schmidt Tobler Vahlen 
Zeller. Semestri tertio Universitatem Tubingensem frequentavi ubi 
scholis interfui vv. ill. Flach Kugler Pfleiderer Schwabe. Quibus 
omnibus optime de me meritis, imprimis vv. ill. Müllenhoffio et 
Scherero, qui in hac dissertatione componenda etiam privatis 
consiliis me adiuverunt, gralias ago quam maximas. 


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